Im Angesicht der ambitionierten „Flightpath 2050“-Emissionsziele der Luftfahrtindustrie werden vollkommen neuartige Ansätze für die Auslegung und Integration von Antriebssystemen erforderlich sein, wenn es gilt, die Effizienz zukünftiger Flugzeuge weiter zu verbessern. Eine in diesem Zusammenhang sowohl in der Wissenschaft als auch in der Industrie immer wieder diskutierte, vielversprechende Idee ist die Verteilung der erzeugten Antriebsleistung eines einzelnen Kerntriebwerkes auf mehrere Fans. Aufgrund der vergrößerten Vortriebsfläche bei einem moderaten Anstieg von Fandurchmesser und -gewicht würde ein solcher Ansatz die Antriebseffizienz deutlich erhöhen.
Ein solcher „verteilter“ Flugzeugantrieb würde den Konstrukteuren zudem weitere Optimierungsmöglichkeiten eröffnen, beispielsweise durch die Verwendung von Zwischenkühlern und Energierückgewinnungssystemen zur Effizienzsteigerung im Kerntriebwerk. Gemeinsam mit internationalen Partnern im Projekt DisPURSAL (Distributed Propulsion and Ultra-high bypass Rotor Study at Aircraft Level) arbeiten Wissenschaftler des Bauhaus Luftfahrt an Modellen zur Quantifizierung des Potenzials solcher Antriebssysteme auf der Gesamtflugzeugebene.
Eine der vielversprechendsten Optionen für ein „verteiltes“ Antriebssystem ist der Einsatz eines einfach oder gegenläufig rotierenden Fans am hinteren Teil des Flugzeugrumpfes, den er vollständig umläuft. Der so entstehende „Propulsive Fuselage“ nutzt ganz bewusst die sogenannte „Grenzschicht“ in unmittelbarer Nähe zum Flugzeugrumpf und verlegt die Schubproduktion in den vom Rumpf erzeugten Strömungsnachlauf. Installiert man den „Fuselage Fan“ dahingehend, dass er die Grenzschicht des Rumpfes „einsaugt“, so könnte er gleichzeitig den effektiven Widerstand des Flugzeuges reduzieren und die Vortriebseffizienz des Antriebes erhöhen.
Darüber hinaus würde die enge Integration des Fans in die Flugzeugstruktur den Widerstand der Fangondel reduzieren und könnte auch die externe Lärmentwicklung verringern. Das Bauhaus Luftfahrt arbeitet an der Bewertung des gesamten Vorteiles des „Propulsive Fuselage“-Konzeptes und bezieht dabei auch Effekte mit ein, von denen eher ungünstige Auswirkungen auf die Effizienz erwartet werden.
Dazu zählen beispielsweise ein niedriger Einlaufdruckrückgewinn und eine verminderte Leistungsumsetzung des Fans durch die am Lufteinlass auftretende ungleichmäßige Strömung beim Einsaugen der Rumpfgrenzschicht. Erste Analysen des „Propulsive Fuselage“-Konzeptes auf Basis eines zweistrahligen Flugzeuges zeigten trotz des zusätzlichen Triebwerks bereits eine knapp über zehn Prozent höhere Reichweite im Vergleich zu einem konventionell angetriebenen Referenzflugzeug. Eine der wichtigsten Erkenntnisse dabei war, dass die Einsaugung der Grenzschicht die Effizienz eines Flugzeuges derart stark verbessern kann, dass die zwei für den Schub hauptverantwortlichen konventionellen Triebwerke kleiner, leichter und widerstandsärmer und somit effizienter ausgelegt werden können.
Das vom Bauhaus Luftfahrt ausgestellte Modell veranschaulicht eine mittelfristige Zukunftsperspektive eines „Propulsive Fuselage“-Konzeptes mit einem fortschrittlichen Gasturbinenantrieb. Im Falle eines möglichen Einzuges der Elektromobilität in die Luftfahrt in den kommenden Jahrzehnten sehen die Wissenschaftler des Bauhaus Luftfahrt sogar noch ein weitaus größeres Potenzial für „verteilte“ Antriebsarchitekturen und den „Propulsive Fuselage“. Der Grund dafür ist die sehr gute Skalierbarkeit elektrischer Antriebe und ihre Ansteuerung durch flexible Kabelverbindungen anstelle starrer Antriebswellen, womit ihre intelligente Verteilung über die gesamte Flugzeugstruktur vereinfacht wird.
Technische Highlights des „Propulsive Fuselage“-Konzeptes.
Zwei konstruktive Optionen für die Anwendung der Grenzschichteinsaugung im Vergleich zum Status quo.
„Fuselage Fan“ mit Magnetschwebetechnik, eine mögliche Anwendung für den Fall des Einzuges der Elektromobilität in die kommerzielle Luftfahrt.