In den letzten drei Jahrzehnten haben technische und operationelle Verbesserungen dazu beigetragen, dass der Luftverkehr seine CO2-Emissionen pro Passagierkilometer drastisch senken konnte. Wachstumsprognosen zeigen jedoch, dass die Luftfahrtindustrie bis 2050 nicht in der Lage sein wird, ihre Emissionen zu dekarbonisieren, wenn sie weiter diesem Trend der schrittweisen Verbesserungen folgt. Dass die Emissionen des Luftverkehrs nur schwer zu reduzieren sind, liegt am Fehlen von ausreichend ausgereiften Technologien zur Dekarbonisierung, erforderlicher Infrastruktur und ausreichenden Investitionen in diese Technologien. Hinzu kommt die Unsicherheit über die langfristigen politischen Rahmenbedingungen.

Das Bauhaus Luftfahrt begann Ende 2022 mit der Entwicklung des Szenario-Tools, um mögliche Transitionspfade für die Luftfahrt zu bewerten. Um die Luftfahrtindustrie bei der Dekarbonisierung zu unterstützen, werden zum Beispiel Zeitpläne für die Markteinführung von Technologien wie Wasserstoff aufgezeigt, die Produktionsmengen von nachhaltigen Flugkraftstoffen oder die Auswirkungen verschiedener Regularien.

Das „Airline-Decarbonisation-Modell" ermöglicht es, Szenarien zu entwickeln, in denen verschiedene Flugzeugtechnologien, die Verfügbarkeit von SAF und Flüssigwasserstoff sowie politische Maßnahmen (wie ReFuelEU) variabel eingeführt werden. Die Szenarien können dann zum Beispiel anhand von Schlüsselindikatoren für die Dekarbonisierung, der Entwicklung der Flotte oder der direkten Betriebskosten bewertet werden. Dies ermöglicht, die Auswirkungen und Wirksamkeit politischer Maßnahmen, der Rolle von SAF und von effizienten Flugzeugen ganzheitlich zu bewerten.

Wir stellen drei „Eckpfeiler-Szenarios“ für die Luftfahrt unter Verwendung des Airline-Decarbonisation-Modells vor.

 

Drei mögliche Wege zur Dekarbonisierung

Der Pfad der nachhaltigen Flugkraftstoffe (SAF)

Im ersten Szenario erzielt die Nutzung nachhaltiger Flugzeugtreibstoffe den Hauptanteil der Dekarbonisierung, ohne dass wasserstoffbetriebene Flugzeuge eingeführt werden. Der Beitrag von SAF wird durch effizientere, konventionelle Flugzeuge ergänzt, die zwischen 2030 und 2035 für verschiedene Marktsegmente eingeführt werden und mindestens 15 % verbrauchseffizienter sind. Durch einen erheblichen Anstieg der SAF-Produktion (17 % jährliche Wachstumsrate (CAGR) zwischen
2020 und 2050), insbesondere bei Power-to-Liquid-Kraftstoffen auf der Grundlage der Direct-Air-Capture-Technologie, nähert sich die Luftfahrt bis etwa 2050 der Dekarbonisierung. Die verbleibenden Emissionen stammen aus Produktion sowie Transport dieser Kraftstoffe und müssen durch Marktmechanismen ausgeglichen werden.

Der Pfad der radikal-effizienten Flugzeuge kombiniert mit SAF

Was wäre, wenn wir die erheblichen Mengen an SAF aus dem vorhergehenden Szenario mit revolutionären Flugzeugtypen auf Kerosinbasis kombinieren? In diesem zweiten Szenario werden neue Flugzeugkonzepte zwischen 2040 und 2045 in den Markt eingeführt, die eine erhebliche Verbesserung der Treibstoffeffizienz um etwa 50 % bieten. Unsere Projektionen zeigen, dass diese Kombination einige Vorteile gegenüber der ausschließlichen Verwendung von SAF bietet. Die Dekarbonisierung kann etwas schneller erreicht werden, mit etwas geringeren kumulativen Emissionen. Mit einem geringeren SAF-Verbrauch (-5 % im Jahr 2050 und -15 % im Jahr 2070 im Vergleich zum vorhergehenden Szenario) führt dieses Szenario nicht nur zu geringeren Kraftstoffkosten, sondern auch zu geringeren Scope-3-Restemissionen.

 

Der Pfad der Wasserstoff-Flugzeuge

In diesem dritten Szenario wird von einer aggressiven Einführung von Wasserstoff-Flugzeugen für verschiedene Marktsegmente zwischen 2040 und 2050 ausgegangen. Das SAF-Angebot wird hierbei zwischen 2030 und 2070 mit einer relativ moderaten CAGR von 9 % wachsen. Die Projektionen für dieses Szenario zeigen, dass die Luftfahrt bis 2070 nicht dekarbonisiert wird. Dies ist selbst dann der Fall, wenn die Scope-3-Emissionen aus Produktion und Transport von SAF und Flüssigwasserstoff vollständig ausgeglichen werden. Ergänzende Projektionen zeigen jedoch, dass die Dekarbonisierung im Jahr 2070 erreicht werden kann, wenn dieses Szenario durch eine höhere Ausmusterungsrate kerosinbetriebener Flugzeuge ergänzt wird.

Alle Szenarien haben gemeinsam, dass für die Erreichung der Dekarbonisierung ein erheblicher Bedarf an Ausgleichsmaßnahmen für Scope-3-Emissionen besteht (die größtenteils aus der Treibstoffherstellung resultieren). Tatsächlich liegen diese Emissionen im SAF-geführten Szenario zwischen 2050 und 2070 zwischen 300 und 400 Millionen Tonnen. Dies unterstreicht die Bedeutung der Produktionskette für SAF und flüssigen Wasserstoff auf dem Weg zur Dekarbonisierung.